Aktuelle Verjährungsfristen im Strafrecht

Die Berechnung einer Verjährungsfrist ist nicht ganz einfach und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die wesentlichen Faktoren hierbei sind:

  • das Alter des Opfers (Kind oder Jugendliche/r)
  • der Straftatbestand: die Verjährungsfrist ist angelehnt an das Höchstmaß, mit der ein Straftatbestand belegt werden kann (nach §78 StGB). 
  • der Zeitpunkt der Straftat (Verjährungsfrist richtet sich nach der jeweils gültigen Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Straftat)
  • die geltende Hemmungsregelung (Ruhefrist nach §78b StGB)

Betroffene haben nach aktuellem Strafrecht generell bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres Zeit, um eine Anzeige zu erstatten. Dazu kommen je nach Straftatbestand noch die jeweils gültigen Fristen dazu, siehe unten. 

Wichtig: Die nachstehende Auflistung dient ausschließlich der Information und erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Um eine rechtsverbindliche Aussage zu erhalten empfehlen wir, einen Opferanwalt  bzw. eine Opferanwältin zu kontaktieren. Die Kosten für eine Erstberatung werden von manchen Fachberatungsstellen übernommen. 

Ausrufezeichen für wichtige Information

Sexueller Missbrauch von Kindern (unter 14 Jahre)

Aktuelle Gesetzgebung, d.h. für Straftaten, die nach dem 27. Januar 2015 begangen wurden bzw. am 27. Januar 2015 noch nicht verjährt waren ***

Hemmung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres

Bei einfachem sexuellem Missbrauch nach 176 StGB 5-10 Jahre, d.h. max.  bis Vollendung des 40. Lebensjahres
Bei schwerem sexuellem Missbrauch* nach 176a StGB 20 Jahre, d.h. max. bis Vollendung des 50. Lebensjahres

Straftaten, die zwischen dem 30. Juni 2013 und dem 27. Januar 2015 begangen wurden bzw.  am 30. Juni 2013 noch nicht verjährt waren ***

Hemmung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres

Bei einfachem sexuellem Missbrauch nach 176 StGB 5-10 Jahre, d.h. max. bis Vollendung des 31. Lebensjahres
Bei schwerem sexuellem Missbrauch* nach 176a StGB 20 Jahre, d.h. max. bis Vollendung des 41. Lebensjahres

Straftaten, die zwischen dem 1. Juli 1997 und dem 30. Juni 2013 begangen wurden bzw.  am 1. Juli 1997 noch nicht verjährt waren ***

Hemmung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres

Bei einfachem sexuellem Missbrauch nach 176 StGB 5-10 Jahre, d.h. max. bis Vollendung des 28. Lebensjahres
Bei schwerem sexuellem Missbrauch* nach 176a StGB 20 Jahre, d.h. max. bis Vollendung des 38. Lebensjahres

Straftaten, die vor dem 01.07.1997 begangen wurden

Bis zum Jahre 1997 wurde noch nicht zwischen einfachem und schwerem Missbrauch unterschieden. Die Verjährungsfrist betrug 5-10 Jahre mit Hemmung bis zum 18. Lebensjahr, d.h. die Verjährung lief max. bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen (über 14, aber unter 18 Jahre)

Straftaten, die nach dem 21. Januar 2015 begangen wurden bzw. zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren ***

Hemmung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahrs

Sexueller Missbrauch von jugendlichen Schutzbefohlenen nach § 174,  Verjährungsfrist: 5 Jahre ab dem 30. Lebensjahr, d.h. bis Vollendung  des 35. Lebensjahres

Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung von Jugendlichen nach § 177, Verjährungsfrist: 20 Jahre ab dem 30. Lebensjahr, d.h. bis Vollendung des 50. Lebensjahres

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen** nach § 182, Absatz 1-3, Verjährungsfrist: 5 Jahre ab dem 30. Lebensjahr, d.h. bis Vollendung des 35. Lebensjahres 

** unter 16 Jahre bzw. unter 18 Jahre bei Ausnutzung einer Zwangslage

Straftaten, die zwischen dem 30. Juni 2013 und dem 21. Januar 2015 begangen wurden bzw. am 30. Juni 2013 noch nicht verjährt waren ***

Hemmung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres

Sexueller Missbrauch von jugendlichen Schutzbefohlenen nach § 174,  Verjährungsfrist: 5 Jahre ab dem 21. Lebensjahr, d.h. bis Vollendung  des 26. Lebensjahres

Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung von Jugendlichen nach § 177, Verjährungsfrist: 20 Jahre ab dem 21. Lebensjahr, d.h. bis Vollendung des 41. Lebensjahres

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen** nach § 182, Absatz 1-3, Verjährungsfrist: 5 Jahre nach der Tat, keine Hemmung

Straftaten, die zwischen dem 1. Juli 1997 und dem 30. Juni 2013 begangen wurden bzw. am 1. Juli 1997 noch nicht verjährt waren ***

Hemmung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres

Sexueller Missbrauch von jugendlichen Schutzbefohlenen nach § 174,  Verjährungsfrist: 5 Jahre ab dem 18. Lebensjahr, d.h. bis Vollendung  des 23. Lebensjahres

Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung von Jugendlichen nach § 177, Verjährungsfrist: 20 Jahre ab dem 18. Lebensjahr, d.h. bis Vollendung des 38. Lebensjahres

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen** nach § 182, Absatz 1-3, Verjährungsfrist: 5 Jahre nach der Tat, keine Hemmung
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Fußnoten:
*     schwerer sexueller Missbrauch: 
       Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind

**     unter 16 Jahre bzw. unter 18 Jahre bei Ausnutzung einer Zwangslage

***    Nachträgliches Ruhen der Verjährung: Für Taten, deren Verjährungsfrist zum Zeitpunkt einer neuen Gesetzgebung noch läuft, greift im Falle einer Gesetzesänderung zugunsten des Opfers automatisch die neue Verjährungsfrist bzw. Ruhefristenregelung (siehe hierzu auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 104/00 vom 31. Januar 2000)

Aktuelle Verjährungsfristen im Zivilrecht

Unabhängig von einer Strafanzeige können Betroffene, die Opfer einer vorsätzlichen Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung geworden sind, auch eine Zivilklage gegen den Täter / die Täterin einreichen, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen bzw. Schmerzensgeld zu erhalten.

Seit dem 30. Juni 2013 verjähren diese zivilrechtlichen Ansprüche erst nach 30 Jahren (gerechnet ab dem 21. Lebensjahr). Vor dem 30. Juni 2013 betrug diese Frist lediglich 3 Jahre. 
Auch hier gilt aber die Regelung des nachträglichen Ruhens der Verjährung (siehe unter *** oben), d.h. war eine Straftat zum 30. Juni 2013 noch nicht verjährt, gilt jetzt auch für diese Straftat die neue Verjährungsfrist von 30 Jahren.

Vor dem 1. Januar 2002 betrug die Verjährungsfrist im Zivilrecht auch 3 Jahre, allerdings beginnend mit Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden war. Es gab keine Ruhefrist bis zum 21. Lebensjahr. Unter Umständen laufen aber auch hier noch für einige Straftaten die Verjährungsfristen aufgrund des nachträglichen Ruhens.
Bei Kindern und Jugendlichen können die gesetzlichen VertreterInnen die Ansprüche ihrer Kinder geltend machen. 

Erlangt das Opfer z. Bsp. aufgrund einer schweren Traumatisierung erst später Kenntnis von der Straftat bzw. dem Täter, beginnt auch hier erst die Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt zu laufen, an dem das Opfer die Straftat als solche wahrgenommen bzw. den Täter benennen kann (s. auch Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 29.12.2010 zum Aktenzeichen 12 O 2381/10).

Wird die Verjährung durch Handlungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts unterbrochen (z. Bsp. durch einen Haftbefehl oder die Erhebung einer öffentlichen Klage), so beginnt die Berechnung der Verjährungsfrist von neuem. Dies kann durchaus mehrfach passieren, allerdings nur in einem bestimmten Rahmen (auf das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist, also z. Bsp. bei einer Verjährungsfrist von 10 Jahren auf insgesamt maximal 20 Jahre).


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