Sexueller Missbrauch an Jungen

Die Tatsache, dass auch Jungen Opfer sexuellen Missbrauchs werden, ist mittlerweile zwar bekannt, aber noch längst nicht immer wirklich anerkannt. Zum Teil resultiert diese Nicht-Anerkennung aus der Unsicherheit der Öffentlichkeit, über das tatsächliche Ausmaß der sexualisierten Gewalt gegen Jungen. Hinzu kommen falsche Vorstellungen und Klischees hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs an Jungen, die der Anerkennung der Betroffenheit von Jungen entgegenstehen.

Trotz unterschiedlich verwendeter Definitionen und unterschiedlicher Befragungsmethoden, zeigen internationale und deutsche Untersuchungen zur sexualisierten Gewalt gegen Jungen übereinstimmend, dass 8-10% der befragten Männer sexualisierte Gewalt erfahren mussten. Dunkelfeldschätzungen gehen davon aus, dass jeder fünfte bis achte Junge sexualisierte Gewalt erlebt.

Jungen bekennen sexuellen Missbrauch wahrscheinlich seltener, weil folgende Vorurteileherrschen:

  • Jungen, die in Ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden sind, werden selber zu Tätern
  • Missbrauch wird mit "Schwäche" und "Ohnmacht" in Verbindung gebracht, ein Junge darf aber nicht schwach oder ohnmächtig sein
  • Unsere Gesellschaft erwartet von Jungen und Männern Stärke
  • Sind Jungen doch zu Opfern geworden, "hatten sie selber schuld", weil sie sich nicht richtig gewehrt haben
  • Sexuell missbrauchte Jungen wissen sich selber zu helfen
  • Jungen sexuellen Missbrauch leichter verarbeiten als Mädchen
  • Jungen wollen den Sexualkontakt und empfinden ihn als angenehm, insbesondere dann, wenn sie von einer Frau missbraucht werden
  • Missbrauch an Jungen mit Homosexualität in Verbindung gebracht wird und Jungen und Männer aber nicht als Homosexuelle abgestempelt werden wollen
  • Sexualität bei Jungen anders definiert wird, als bei Mädchen. Sexueller Missbrauch wird daher oft als unangemessenes, sexuelles Abenteuer gesehen, nicht aber als Missbrauch

Missbrauch an Jungen findet hauptsächlich außerhalb der Familie statt (Lehrer, Trainer, Pfarrer, usw.). Wenn der Vater der Täter ist, sind meistens auch die Geschwister mitbetroffen. Der Ablauf (Geheimhaltung, Hilflosigkeit, Reaktion, Aufdeckung, siehe 4-Phasen-Modell) ist ähnlich wie bei Mädchen. Zur Aufdeckung kommt es meistens, wenn der Junge befürchtet, dass sich der Missbrauch steigert oder wenn er Angst hat, ansteckende Krankheiten wie AIDS zu bekommen.

Erschreckend ist, dass von der Anzahl der Täter ca. 20% selbst in ihrer Jugend sexuelle Gewalt erfahren haben und diese sexuellen Missbrauchserfahrungen weitergeben, ohne für die Opfer oder ihre Tat ein Gefühl zu entwickeln.


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